27.08.2021 - Ferngesteuert durchs Leben
Kindern beim Spielen zuzuschauen, ist stets ein sehr schönes Beispiel, wie unbekümmert diese jungen Menschen noch mit dem Leben umgehen. Da wird ausdauernd an einer Sandburg gebaut, mit viel Leidenschaft auf dem Skateboard gefahren, mit viel Geschick mit einem Ball hantiert, mit dem Vater zusammen die Geleise der Modelleisenbahn zusammengesteckt, mit der Mutter ein Brettspiel erlernt oder zusammen mit der ganzen Familie im Wald rumgetollt.
Kürzlich bin ich gespannter Zuschauer, wie ein Junge geschickt sein ferngesteuertes Auto auf einem Gehweg mit vielen Spaziergängern durch die Menschen lenkt. Der kleine Bub hat grosse Freude, wenn sein gelbes Auto mal wieder den Fuss eines älteren Herren touchiert. Andererseits ist die Begeisterung beim angefahrenen Rentner nicht im gleichen Ausmass ausgeprägt, ja es folgt sogar das eine oder andere missmutige Wort an die Adresse des Junglenkers an der Konsole. Doch ein paar Meter weiter entlang dem Weg scheint der Junge diese Worte bereits vergessen und er drückt die Geschwindigkeit des gelben Boliden wieder nach oben und ob es Absicht war oder nicht, das Auto kollidiert mit einer Parkbank und überschlägt sich, die Räder immer noch hochtourig drehend. Es macht den Anschein eines Käfers, der auf dem Rücken gelandet ist und mit allen Vieren versucht, wieder auf die Beine zu kommen. Es ist dem Kind anzusehen, wie er um die Funktionstüchtigkeit des Autos bangt. Nur ein paar Sekunden später jedoch darf er aufatmen, das Auto wieder auf alle vier Räder gestellt, dreht es wieder seine Runden im Wirrwarr der Spaziergänger. Ich überlege mir, wie die Kollision mit der Parkbank hätte verhindert werden können. Wohl nur dadurch, indem der Junge besser aufgepasst oder das Auto ein eingebautes Hirn gehabt und das Malheur hätte sehen können.
Wie sieht denn die Situationen bei uns Menschen aus? Einerseits sind wir die Geschöpfe, welche Fernsteuerungen in der Hand haben, um eben ein Modellauto durch ein Bein-Labyrinth zu lenken oder um notfalls auch den Sender am Fernseher zu wechseln. Dank neuen Technologien rund um unsere Smart-Phones gibt es natürlich unzählige sinnvolle Anwendungsbeispiele, wo Fernsteuerungen Sinn machen. Ja, es kann hilfreich sein, wenn ich irgendwo am Palmenstrand liege und im Wetter-App eine Gewitterwolke auf meinen Wohnort zudrehen sehe, dass ich dem Rasenmäh-Roboter Anweisungen über den Satelliten durchbeame, doch langsam Unterschlupf zu suchen, um nicht vom Blitz getroffen zu werden.
Drehen wir nun den Spiess mal um und betrachten uns selber als ferngesteuertes Lebewesen. Sind wir dies nicht sehr oft von frühmorgens bis spätabends? Wir stehen auf, um den Tag mit völlig unbewussten Handlungen in Angriff zu nehmen. Beinahe blind finden wir die Toilette, die Kaffeemaschine und die Zahnbürste und realisieren oft gar nicht, wie wir schlussendlich im Büro angekommen sind. Die Arbeit, die wir verrichten, ist sehr oft fremdbestimmt ferngesteuert und wird erledigt, weil sie halt erledigt sein sollte. Spätestens am Abend, müde nach dem Abendessen, zieht uns der Fernseher magisch an. Auf seltsame Art und Weise hat uns wohl jemand mit der Fernsteuerung auf dem Sofa Platz nehmen lassen.
Wir alle leben in einem System, in dem wir sehr oft unbewusst fremdbestimmt werden und die aktuelle Situation nicht bewusst wahrnehmen. Aufgrund unserer Erfahrungen reagieren wir automatisch auf Fremdeinflüsse und verstärken unsere Muster immer mehr. Wenn wir uns öfter die Frage stellen, wieso etwas so ist und ich so darauf reagiere, bringen wir einen grossen Teil unserer Selbstbeeinflussung und unserer Selbstbestimmung zurück in unser Leben. Sich seinen eigenen Gedanken und seinen eigenen Handlungsmuster tagtäglich offen und ehrlich gegenüberzustehen, ändert sehr oft den Anblick auf die Dinge, die uns umgeben und führen dich einen Schritt weiter, dein Leben so zu leben, wie du dir es wünschst, und nicht so, wie es von aussen vorgegeben und ferngesteuert wird.
Wie sonst lässt es sich erklären, dass wir gedanklich ab und zu mit Vollgas in eine Parkbank rasen und so richtig schmerzhaft den Kopf anstossen?