22.07.2022 -  Aus Nein wird Ja

Meine Nackenhaare stehen steif und stramm wie ein Zinnsoldat, wenn ich an ein prall gefülltes Freibad im Hochsommer denke. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieses an einem schönen See liegt. Wie ein Stück Fleisch regungslos auf dem Badetuch zu liegen und sich von der Sonne grillieren zu lassen, nur um sich danach im Nass runterzukühlen - für mich gerne nein danke. Doch es gibt Möglichkeiten, in denen sich diese kurzen Haare wieder legen.

Am letzten Samstag besprechen wir beim Frühstück das Tagesprogramm. Und da ist wie aus dem Nichts geschossen die Frage meiner Partnerin, ob ich am Nachmittag mit in die Badi komme. Noch bevor sie die Idee ganz ausgesprochen hat, stellen sich meine Nackenhaare in Reih und Glied und es ertönt von mir ein klares "Ohh nein danke", begleitet ganz bestimmt vom passenden Gesichtsausdruck. Sie nimmt meine Reaktion mit etwas Bedauern zur Kenntnis und wir erledigen das, was am Samstag an Arbeiten anfällt. Bei diesen Tätigkeiten schwingt das Thema Badi dauernd in meinem Kopf hin und her. Es scheint irgendwie doch nicht so ein klares Nein gewesen zu sein. Gedanklich bin ich bereits bei meinem Waldlauf im Anschluss ans Staubsaugen und freue mich auf die Natur. Da ist plötzlich der Einfall, dass ich meinen Lauf mit der Badi verbinden könnte und gleich nach dem Lauf so wunderbar verschwitzt meine Salzkruste im kühlen See abwaschen könnte. Die Idee nimmt mehr Gestalt auf und ich teile diese meiner Partnerin mit. Sichtlich überrascht und noch mehr erfreut reagiert sie darauf. Wir vereinbaren, uns um 15 Uhr beim Eingang zu treffen. Ich gestalte meinen Lauf so, dass ich pünktlich vor Ort bin. Innert Minuten sind die schweisstropfenden Klamotten ausgezogen, die Badehose angezogen und schon sind wir zusammen im Pfäffikersee. Ich stelle fest, dass der Salzgehalt des Wassers kaum gestiegen ist. Ja, und es tut so unglaublich gut, mich im Seewasser abkühlen zu können. Nach der Schwimmrunde sitzen wir auf unseren bunten Badetüchern, lassen uns im Schnellgang von der Sonne trocknen und ich beobachte die vielen verschiedenen Menschen um mich herum. Es ist spannend und dennoch kann ich es mir nicht vorstellen, sich freiwillig stundenlang an der Sonne braten zu lassen wie ein Backhuhn beim Schnellimbiss. Noch rasch ein Eis zur inneren Kühlung und schon sind wir wieder weg. Rückblickend ist der Nachmittag eine bunte Geschichte, aus der ich etwas lernen konnte.

Uns allen passiert es doch immer wieder, dass wir vorschnell eine Meinung äussern oder unüberlegt eine Entscheidung treffen. Ich bin ein Freund von klaren Haltungen. Diese sind für mich Zeugen von Authentizität und Selbstbestimmung. Doch andererseits darf auch stets die Frage gestellt werden, ob es wirklich immer so definitiv sein soll und der Rahmen nicht ab und zu gesprengt werden darf. Das erweitert einerseits den persönlichen Horizont, die Flexibilität und die Offenheit gegenüber neuen Perspektiven auf bisher in Stein gemeisselte Ansichten. Es geht dabei nicht darum, die Meinung komplett zu ändern. Viel mehr darf Raum geschaffen werden für grösseres Denken. Denn hinter jedem vermeintlich klaren Nein gegen etwas verbirgt sich auch stets ein Ja für etwas Neues.  

Sobald wir öfters unsere klaren Leitlinien überschreiten, gehen Türen und Tore auf zu neuen Erkenntnissen. Doch dafür heisst es, uns nicht nur am kleinen schwarzen Punkt auf dem weissen Papier zu orientieren, sondern die grosse weisse Fläche als unser Potential zu erkennen.

Wann hast du dich nach einer klaren Nein-Haltung doch noch zu einem Ja entschieden und etwas positives daraus mitgenommen?