08.07.2022 - Die "Gala"-Vorstellung der weisshaarigen Dame
Wie so oft in den letzten Wochen unternehme ich den Wocheneinkauf kürzlich wiederum am Montag. Es ist irgendwie ruhiger im Supermarkt und die Gefahr, von anderen Kunden mit dem Einkaufswagen angefahren zu werden, ist minimal. Bei jedem Einkauf gehören die Äpfel zum Standard-Programm, mein Lieblingsapfel ist der Gala. Doch ausgerechnet vor der Gala-Äpfel-Auslage bildet sich eine kleine Schlange. Eine ältere, weisshaarige Frau mit gebücktem Rücken liegt sprichwörtlich fast auf den Äpfeln, ich diagnostiziere eine Kurzsichtigkeit. Und ich sehe, wie sie einen Apfel nach dem anderen in ihre Hände nimmt, um ihn ein paar Zentimeter vor ihren Augen zu begutachten. So geht das Spiel weiter und weiter, doch keiner der inspizierten Äpfel wandert in den Einkaufskorb. Innerlich schmunzle ich über die kinoreife Szene und merke, wie sich in meinem Gesicht ein Lächeln aufbaut. Ich kann zu diesem Zeitpunkt nicht sagen, ob die liebe Dame einfach zum Bestaunen von frischen Äpfeln hergekommen ist oder ob sie auch wirklich etwas kaufen will. Zwischen der Dame und mir steht eine Frau, ungefähr in meinem Alter und wird ungeduldig mit der Bemerkung, ob sie allenfalls auch noch an die Äpfel ran dürfe. Offenbar beeindruckt von diesen Worten zuckt die alte Dame zusammen und wendet sich ab, ihrem noch leeren Einkaufswagen entgegen. Sie schiebt ihn langsamen Schrittes den Backwaren entgegen. So darf auch ich meine Äpfel auswählen. Irgendetwas jedoch hält mich heute davon ab, Gala zu kaufen, kurzum wähle ich Braeburn, auch ganz gut. Wie ich den Milchprodukten zusteure, erkenne ich, wie die Gala-Dame nochmals auf die Karte Äpfel setzt und doch eine Wahl trifft. Wie heisst es doch so schön "Im Leben trifft man sich immer zweimal". Das zeigt sich heute bei der Dame und mir. Unsere Wege kreuzen sich kurz vor der Kasse nochmals. Ich kann dabei nicht anderes, als einen Blick in ihren Einkaufswagen zu werfen. Da liegt er nun, dieser eine einsame Gala-Apfel, umgeben von zwei Kleinbroten, einem 1/2 Liter Milch, 2 Joghurts und einem Pack Pasta. Ich freue mich für die liebenswerte Dame, dass sie sich für einen Apfel hat entscheiden können.
Meine Lieblings-Apfelsorte steht an diesem Tag sinnblich gesprochen für das, was ich erlebe. Die kurze Gala-Vorstellung der Dame bringt mich an den Punkt zu überlegen, wie genau ich selber gewissen Dingen auf den Grund gehe und wie ich Entscheidungen treffe. Bei Früchten und Gemüse greife ich meist zu, ohne das Produkt im Details anzuschauen (Kurze Randnotiz an dieser Stelle: Ich kaufe an diesem Tag tatsächlich eine Zitrone, die schimmlig war. Ich bemerke es jedoch erst zu Hause). Bei komplexeren Dingen zeige auch ich ähnliche Züge wie die Dame vom Supermarkt, indem ich Details zu versteckten Inhalten oder aus dem Kleingeschriebenen erfahren will. Dieses Vorgehen mag sehr oft Sinn machen, um dadurch nicht die Katze im Sack zu kaufen.
Vielleicht geht es dir wie mir. Oftmals begegne ich Menschen (und darin eingeschlossen auch mir selber), die aufgrund der grossen Auswahl an Produkten oder Dienstleistungen wahrhaft vor einer Qual stehen, vor der Entscheidungs-Qual. Eine Qual ist selten schön und daher besser davon abzusehen. Doch vor dem Regal mit den unzähligen Joghurts gilt es dennoch, innert nützlicher Zeit einen Entscheid zu fällen, welches Joghurt den Weg in den Einkaufswagen finden soll. Anstatt jedes Joghurt einzeln in die Hand zu nehmen und die Details zu erkunden, kann in solchen Fällen der Bauch eine gute Unterstützung bieten. Dabei ist nicht dessen Grösse oder Umfang gemeint, sondern das Gefühl im Bauch. Das Bauchgefühl ist in den meisten Fällen ein verlässlicherer Wegweiser als unsere rational denkende linke Hirnhälfte. Je mehr rationale Paramater auf die Waagschale gelegt werden, umso schwieriger wird es, diese Waage zu kontrollieren. Wenn jedoch dem Bauch Gehör verschafft wird, dann spielen auch unsere Gefühle und Emotionen eine nicht unbedeutende Rolle bei der Entscheidungsfindung. Und schlussendlich ist es ja das Ziel, uns selber mit unserem Entscheid ein gutes Gefühl zu geben.
In welchen Situationen fällt es dir leicht / schwer, eine rasche Entscheidung zu fällen?